Fragen und Antworten
Sehr geehrte Frau Zink
Ich (w, 48 Jahre) habe in den letzten Jahren stetig Gewicht zugenommen, so dass ich mir nicht mehr gefalle und nicht mehr gerne in den Spiegel schaue. Auch mein Mann machte schon einige Bemerkungen wegen meiner Figur, denn bei der Heirat trug ich Kleidergrösse 36. Nun will ich 25 kg abnehmen. Dies ist nicht mein erster Anlauf, diverse Diäten zeigten kurzfristig eine Erfolg, dann habe ich aber wieder zugenommen und zwar so, dass mein Gewicht nach der Diät höher war als davor. Der typische Jojo-Effekt. Das ist also nicht der richtige Weg. Nun habe ich gehört, dass psychische Gründe auch einen Beitrag zum Übergewicht haben können. Haben Sie mir einen Tipp?
Vielen Dank
K. E. aus P.
Liebe Frau E.
Übergewicht kann unterschiedliche Ursachen haben. Grundsätzlich
ist es sicherlich ein Ungleichgewicht zwischen den zugeführten
Kalorien und den verbrauchten Kalorien. Diäten zum Abnehmen sind
eine meist starke Reduktion der zugeführten Kalorien, die für
den Körper einer Hungersnot gleich kommen und er angeborenen
Notmassnahmen reagiert: Kalorien sparen und die aufgenommenen
möglichst gut verwerten und sobald die Zeiten wieder besser sind,
das Verpasste aufstocken und (Fett-)Reserven anlegen für
mögliche weitere schlechte Zeiten. Diese Notmassnahmen
haben unseren Vorfahren das Überleben ermöglicht und sind daher
in unsere angeborene, lebenswichtige Verhaltensmuster. Bei uns,
die wir in einem grossen Wohlstand leben, führt der gewollte
Kalorienentzug zum bekannten und unerwünschten Jojo-Effekt.
Wirkungsvoller sind gemässigtere Diäten mit leicht verringerter
Kalorienzufuhr und Steigerung des Kalorienverbrauchs, also
Bewegung. Man hat nicht in kürzester Zeit den angestrebten
Erfolg, aber mit der langfristigen Strategie ist das Gewicht
stabil-sinkend.
Nun kann man sich auch fragen, welche sind die Ursachen für die
zu grosse Kalorienzufuhr. Hier gibt das Essprotokoll Auskunft.
Machen Sie eine Tabelle mit 5 Spalten. In die 1. Spalte kommt
die Uhrzeit, wann Sie etwas essen, in die 2. Spalte, was Sie
gedacht und gefühlt haben VOR dem Essen, in die 3. Spalte was
Sie gegessen haben, in die 4. ob Sie nach dem Essen satt,
übervoll oder noch leicht hungrig sind und in die 5. Spalte
schreiben Sie ihre Gefühle und Gedanken NACH dem Essen. Dieses
Protokoll führen Sie mindestens über 2 Wochen und analysieren es.
Die Esszeiten und –mengen geben Auskünfte über die Art, wie Sie
Ihr Essen über den Tag hinweg verteilen. Grundsätzlich gilt hier
die Regel lieber mässig, regelmässig und genussvoll statt rasch
und viel. Der Grad der Sattheit sagt etwas darüber aus, wie Sie
sich selbst wahrnehmen. Übersattheit weist auf zu wenig
Selbstwahrnehmung und zu wenig Beachtung der eigenen Grenzen und
Bedürfnisse hin. Sollten Sie feststellen, dass Sie ihre (Sättigungs-)Grenze
übergehen, wären generell regelmässige Stopps im Alltag zu
empfehlen, in denen Sie sich, Ihre Stimmung und Bedürfnisse
bewusst wahrnehmen und die Bedürfnisse nach Möglichkeiten
erfüllen. Erlauben Sie sich hierbei auch ungewöhnliche
Bedürfnisse und gehen Sie auch mal neue Wege. Es können
Emotionen bewusst werden, wenn Sie sich mehr Aufmerksamkeit
schenken. Diese Gefühle treten auch vor und nach dem Essen in
Erscheinung. Essen kann auch nicht-kalorienbedingten Hunger zu
stillen versuchen. So können wir unseren Frust runterschlucken,
die innere Leere, Langeweile und Einsamkeit füllen, Angst
wegspülen. ist ev. zusammen mit einer Ernährungsberaterin Ihr
Essverhalten.
In Ihrem Schreiben fallen mir Aggressionen und Abwertungen auf.
Einerseits durch Sie selbst „gefalle mir nicht mehr selbst“, „sehe
mich nicht mehr gerne im Spiegel“ und durch den Ehemann „Bemerkungen
wegen der Figur“. Diese Aussagen können sicherlich Ansporn zur
Gewichtsreduktion sein, aber aus Ihren Beschreibungen heraus
funktioniert diese Motivierung nicht. Ich vermute vielmehr, dass
der Druck abzunehmen und die Entwertung zusätzlich frustrieren
und Sie eher noch zum Frustessen anregen. Vielleicht können Sie
mal ganz allgemein auf Unzufriedenheit, Ärger und Frustrationen
in Ihrem Leben achten. Auffallend ist auch, dass die
Gewichtszunahme seit der Eheschliessung stattgefunden hat. Was
hat sich für Sie seither geändert im Verhalten, Tagesablauf oder
Selbstbild? Welcher neuer Hunger ist in ihr Leben gekommen?
Ich hoffe, dass Ihnen diese Informationen helfen, und empfehle
Ihnen, das Essprotokoll mit einer Ernährungsberaterin oder
Psychologin anzuschauen und Konflikte positiv zu sehen und
Strategien zur Gewichtsreduktion abzuleiten.
Viel Erfolg
Cornelia Zink, Psychologin FSP
Psychologische Praxisgemeinschaft ANIMA SANA,
NEU: Dorfstrasse 49, 8805 Richterswil
044/ 780 05 25 oder
www.anima-sana.ch