ANIMA SANA
Psychologische
Praxisgemeinschaft
    Therapie
Beratung
Kurse

Fragen und Antworten

Sehr geehrte Frau Zink

Ich (m, 58 Jahre) bin seit über 30 Jahren glücklich verheiratet. Meine Frau (55 Jahre) hat jedoch ein Problem. Als ihre Mutter vor 5 Jahren nach langjähriger schwerer und schmerzhafter Erkrankung unerwartet verstarb, war meine Frau nicht bei ihr. Sie kam erst ans Sterbebett, als diese bereits tot war. Seither wird sie von Schuldgefühlen gequält. Sie macht sich starke Vorwürfe z.B. dass sie keine gute Tochter gewesen ist oder dass sie ihre Mutter im Stich gelassen hätte. Ich rede ihr dann immer zu und versichere ihr, dass dem nicht so ist. Für kurze Zeit ist sie dann beruhigt, aber irgendwann kommen die Schuldgefühle wieder zurück. Wie kann ich ihr helfen?

U. L. aus K.

Sehr geehrter Herr L.

Trauer ist ein Prozess, der aus verschiedenen Phasen besteht und einen gewissen Zeitraum in Anspruch nimmt. Wie lange und wie intensiv die einzelnen Phasen sind, ist unterschiedlich. Ich empfehle Ihnen das Buch „Trauern“ von Verena Kast, das die einzelnen Phasen eindrücklich und sehr empathisch beschreibt. Am Ende dieses Prozesses kann man den Verstorbenen, die Verstorbene loslassen, was aber nicht bedeutet vergessen. Es findet ein Akzeptieren des Todes und des Verlustes sowie eine Aussöhnung mit sich und der verstorbenen Person statt.
Ihre Frau ist in diesem Trauerprozess stecken geblieben und zwar in der Phase der, wo Wut und Verzweiflung, Aufbegehren oder Vorwürfe respektive Selbstvorwürfe auftreten im Sinne „warum hast Du mich verlassen?!?!?“. Hier werden offene Fragen, Bedürfnisse oder „Schulden“ aufgegriffen und verarbeitet.
Es stellt sich nun die Frage, welche „Schuld“ ihre Frau noch zu haben glaubt. Dies muss nicht unbedingt das Fehlen am Sterbebett sein, sondern kann sich auf eine weiter zurückliegende „Schuld“ wie z.B. unterlassenes Beistehen in einer für die Mutter schwierigen Zeit oder das natürliche Verlassen des Elternhauses Ihrer Frau sein. Diese Themen sind besonders heikel, wenn ein inniges, symbiotisches Verhältnis zwischen Ihrer Frau und deren Mutter bestanden hat.
Bremsen Sie die Schuldgefühle also besser nicht ab sondern fragen Sie Ihre Frau, in welchen Situationen und wie sie der Mutter besser hätte beistehen können, welche Erwartungen da nicht erfüllt wurden. Und ob es vorgängige Situationen vor dem Tod gegeben hat, in denen sie der Mutter die erwartete Hilfe und den gewünschten Beistand nicht gegeben hatte. Die Mutter muss hierbei nicht offen die Unterstützung eingefordert haben, es genügt, wenn Ihre Frau sich verpflichtet fühlte.
Wenn Ihre Frau die Situationen erkannt hat, in denen sie „nicht genügt hat“, suchen Sie gemeinsam nach einem Ritual oder einer Handlung, um die „Schuld“ abzutragen. Dies kann die Mutter selbst betreffen, z.B. mit einem Brief, den dann am Grab der Mutter vorliest oder mit einem Geschenk wie ein Gesteck mit den Lieblingsblumen auf das Grab legen. Vielleicht kann auch ein seelsorgerisches Gespräch mit einem Geistlichen helfen, von den inneren Vorwürfen frei zu werden. Die Wiedergutmachung kann auch via Hilfe an Drittpersonen geschehen, z.B. mit einer Spende an eine besondere Gruppe von Notleidenden.
Es geht um eine Aussöhnung von Ihrer Frau mit sich und ihrer Mutter. Hierbei kann auch der Besuch von einem Trauerseminar oder wenn die Rituale keine Befreiung ermöglichen, eine psychotherapeutische Begleitung helfen.

Viel Erfolg und alles Gute

Cornelia Zink, Psychologin FSP
Psychologische Praxisgemeinschaft ANIMA SANA,
Gerbestrasse 2, 8820 Wädenswil
044/ 780 05 25 oder www.anima-sana.ch